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  • AutorenbildElisabeth Glas

R wie Rückgrat

Aktualisiert: 5. Apr. 2023

Seit der letzten Finanzkrise sind wir am träumen und glaubten, die Alarmglocken seien der Schellenursli. Der Exit der Credit Suisse hat uns abrupt aus diesen Träumereien gerissen. Der Versuch einer Erklärung.

Als Zuger Nationalratskandidatin der FDP stieg mir die Röte in mein noch winterlich blasses Gesicht, als ich vom „Exit“ der Credit Suisse hörte, orchestriert durch eine FDP Bundesrätin: Von der Anwendung des Notrechts bis hin zur Verschleierung eines staatlichen „bail outs“ als privatwirtschaftliche Lösung, liberal geht anders.


Ich bin zwar keine Bankenexpertin, aber nicht dumm. Wo war die Nationalbank, und wo die FINMA? Wieso mussten uns die Amerikaner darauf aufmerksam machen, dass die CS praktisch nur noch „heisse Luft“ in den Bilanzen ihrer ausländischen Tochtergesellschaften hatte? Nach all den Skandalen und Verlusten, wäre da nicht etwas Extra-Vorsicht seitens der Behörden angesagt gewesen? Selber vertiefte Aufsichtsprüfungen durchzuführen, anstatt nur den Ausführungen des Bankmanagements Glauben zu schenken. Bei einer Bank von nationalem - sogar internationalem - Interesse kann und muss man das erwarten können. Oder fehlte der Aufsichtsbehörde dazu schlichtweg das Rückgrat?


Selbstverständlich, das CS Management wusste sich stets pompös zu inszenieren, sogar nach absurden Milliardenverlusten. Ihre Abschreckungsstrategie „wenn man selbst bei Milliardenverlusten cool bleibt, muss man es ja im Griff haben,“ funktionierte wie am Schnürchen. Der Verwaltungsrat, insbesondere dessen langjähriger Präsident, wählte das Management aus und übertrug ihm unrealistische Jahresziele. Ein Schelm, wer denkt, dass explizit Personen ohne Rückgrat und ohne Realitätssinn rekrutiert wurden. Womit wir zurück bei der FINMA sind, welche die Besetzung des Verwaltungsrates und des Managements prüft und genehmigt. Heute darf man mit Fug und Recht behaupten: Es wurde nicht geprüft, sondern rückgratlos durchgewunken.


Aber Rückgrat zu haben, ist nicht nur anstrengend, sondern aus der Mode gekommen. Dies ist besonders tragisch in einem demokratischen System wie der Schweiz, wo das Rückgrat bei der Bürgerin und dem Bürger beginnt: Sie wählen das Parlament, das Parlament wählt den Bundesrat, und der Bundesrat wählt die Präsidien der Nationalbank und FINMA. Aber die Bürger können nur Rückgrat demonstrieren, wenn sich auch Personen mit Rückgrat für die Wahlen zur Verfügung stellen. Ansonsten bleiben sie lieber Zuhause. Gleichzeitig stellen sich immer weniger Personen mit Rückgrat für Wahlen auf, weil in einer Welt von anonymen Likes, Dislikes, und Kommentaren eine ehrliche, lösungsorientierte Auseinandersetzung kaum mehr möglich ist. Wie weiter: Unsere Demokratie dahingehend weiterentwickeln, dass Rückgrat wieder in Mode kommt, z.B. mittels der Einführung von deliberativen Ansätzen. Gerne rufe ich alle beteiligten Parteien und Personen dazu auf, unsere Bürgerinnen und Bürger nicht länger für dumm zu verkaufen, sondern mit Rückgrat unsere Demokratie dahingehend zu verbessern, dass ein Credit Suisse Debakel das nächste Mal bereits im Keim erstickt wird.

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